Der Israel-Palästina-Konflikt sollte sich nicht auf den Umgang mit jüdischen und muslimischen Menschen in Deutschland niederschlagen!

Jannis Hagmann von der taz benennt Muster bei der Berichterstattung von TAGESSPIEGEL und BILD gegen Palästinenser

Wenn es um die mediale Berichterstattung über die mehrheitlich von Palästinensern besuchten Berliner Moscheegemeinden geht – insbesondere die Neuköllner Begegnungsstätte (Dar-as-Salam-Moschee) –  dann fällt auf, dass die Medienlandschaft zweigeteilt ist:

Auf der einen Seite stehen: TAGESSPIEGEL und Springer-Medien (BILD und BZ):

Sie lassen keine Gelegenheit aus, die Gemeinde mit Stichworten wie “Islamisten und Muslimbruderschaft” zu diskreditieren. Alleine im Tagesspiegel gab es in den vergangenen Jahren 24 Texte über die Neuköllner Begegnungsstätte – einer schlimmer als der andere und weit mehr als in Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, taz, Spiegel Online, ZEIT und Deutschlandradio zusammen (siehe Auflistung unten). Und das wohlgemerkt über eine Moscheegemeinde, die sich wie kaum eine andere für interreligiösen Dialog engagiert – insbesondere auch mit jüdischen Religionsvertretern – und dafür bei ihren mehrheitlich palästinensischen Gemeindemitgliedern damit nicht nur auf Begeisterung stößt, wenn sie immer wieder Rabbiner oder zuletzt ein jüdisches Puppentheater zu Gast hatten. Aber egal, was die Neuköllner Begegnungsstätte und ihr Imam, Mohamed Taha Sabri machen –  in Tagesspiegel und Springer-Medien wird alles daran gesetzt, die Moscheegemeinde und ihren Imam in ein schlechtes, radikales Licht zu rücken – sie in gewisser Weise zu dämonisieren – und als Ansprechpartner zu delegitimieren.

Auf der anderen Seite stehen Medien wie ZEIT, Spiegel Online, Deutschlandradio, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung:

Diese lassen sich weitgehend nicht von dieser Hetze von Tagesspiegel und Springer-Medien anstecken. Beiträge über die gleiche Moscheegemeinde sind differenziert, zum Teil sogar wertschätzend und wohlwollend. In jedem Fall beherzigen Journalisten dieser Medien auch im Umgang mit Moscheegemeinden und Muslimen den Grundsatz „audiatur et altera pars“ – höre auch die andere Seite.

Woran liegt das, dass Tagesspiegel und Springer-Medien so einseitig positioniert sind? Ein Beitrag in der taz von Jannis Hagmann bringt dazu eine mögliche Erklärung:  es geht eigentlich um den Nahost-Konflikt!

In seinem Text heißt es: “Während die Springer-Presse jede Gelegenheit nutzt, Palästinenser mit Terroristen und Antisemiten gleichzusetzen, mied der Tagesspiegel kürzlich sogar das Wort „Palästinenser“ und schrieb nur noch von Menschen, „die sich als Palästinenser bezeichnen“. Dahinter steht das Ziel, Palästinenser generell zu delegitimieren. Gibt es keine Palästinenser, dann können sie auch keinen Staat fordern, dann muss nicht verhandelt werden. Dann ist der Weg frei für die Annexion.” (Der komplette Text: https://taz.de/Netanjahus-Annexionsplan/!5622468/ )

Ist es Zufall, dass gerade die beiden Medienhäuser beim Umgang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt in gleicher Weise aus dem Rahmen fallen wie bei der Berichterstattung über eine mehrheitlich von Palästinensern besuchten Berliner Moscheegemeinde?

Klar sollte doch sein:

Egal, was auch immer die Regierung von Israel macht – es soll und darf in keiner Weise als Legitimation für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen hier lebende jüdische Menschen, also Antisemitismus, verwendet werden. Und egal, was auch immer Regierungen oder terroristische Gruppen in arabischen Ländern machen – es soll und darf in keiner Seite als Legitimation für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen hier lebende muslimische Menschen, also Muslimfeindlichkeit, verwendet werden.

Das ist etwas, zu dem wir alle gefordert sind, Menschen darauf hinzuweisen, die aus ihrer Parteilichkeit oder Betroffenheit heraus eine Ablehnung oder sogar eine Ächtung oder gar den Boykott einer gesellschaftlichen Gruppe konstruieren wollen und dies mit den drei Ds “Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung” sei es gegen Israelis oder Juden oder sei es gegen Palästinenser oder Muslime tun.

Leider ist der Nahostkonflikt ein beständiger Quell für Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit, wie wir in der Vergangenheit immer wieder feststellen mussten. Man sollte es benennen und ins Bewusstsein rücken, wo dies passiert!

Zum Nachlesen, hier die Auflistung sämtlicher tendenziöser redaktioneller Beiträge im Tagesspiegel über die Neuköllner Begegnungsstätte (Dar-as-Salam-Moschee):

Tagesspiegel, Frank Jansen, 14.06.2016 : Extremisten predigten in der Dar-as-Salam-Moschee
Tagesspiegel, Frank Jansen, 12.07.2016 : Franziska Giffey besucht umstrittene Moschee
Tagesspiegel, Frank Jansen, 18.07.2017: Neuköllner Dar-as-Salam-Moschee weiter unter Beobachtung
Tagesspiegel, Frank Jansen, 19.07.2016:  Imam wehrt sich gegen Extremismus-Vorwürfe
Tagesspiegel, Frank Jansen, 20.07.2016: „LGBTI meets Islam“
Tagesspiegel, Hannes Heine, 31.08.2017: Moschee-Besucher verletzt fünf Polizisten
Tagesspiegel, Frank Jansen, 14.12.2017 : Hassprediger trat schon 2009 in Neukölln auf
Tagesspiegel, Frank Jansen und Sigrid Kneist, 04.01.2018  Pläne für Mariendorfer Moschee werden überarbeitet
Tagesspiegel, Frank Jansen, 05.01.2018: Der Flirt mit Extremisten wertet die falschen Leute auf
Tagesspiegel: Frank Jansen, 26.04.2018: Neuköllner Moscheeverein scheitert vorerst im Rechtsstreit mit Verfassungsschutz
Tagesspiegel, Frank Jansen, 26.04.2018: Der Verfassungsschutz lässt sich vom Moscheeverein nicht täuschen – gut so!
Tagesspiegel, Frank Jansen, 02.05.2018: Neuköllner Moscheeverein geht weiter gegen Verfassungsschutz vor
Tagesspiegel, Frank Jansen und Jörn Hasselmann, 21.06.2018: Warum Berlins Verfassungsschutzchef um seine Versetzung bittet
Tagesspiegel, Alexander Fröhlich, 24.07.2018: Verfassungsschutz muss Bericht überarbeiten
Tagesspiegel, Frank Jansen, 21.08.2018: Immer mehr Salafisten und Reichsbürger in Berlin
Tagesspiegel, Frank Jansen, 28.08.2018: Innensenator: „Die Beobachtung läuft weiter
Tagesspiegel, Hannes Heine, Alexander Fröhlich, 13.09.2018: Beisetzung von Nidal R. unter Polizeischutz – rund 2.000 Gäste
Tagesspiegel, Frank Jansen, 24.01.2019: 24.01.2019: Muslimbruderschaft hat Kontakt zu Berliner Vereinen
Tagesspiegel, Alexander Fröhlich, Jörn Hasselmann, Hannes Heine, 11.08.2019: „Gebet im Freien“ auf dem Tempelhofer Feld – Veranstalter-Verein soll Islamisten nahestehen
Tagesspiegel, Frank Bachner, 12.08.2019: Seyran Ates zum Gebet auf dem Tempelhofer Feld: „Das sind muslimische Identitäre“
Tagesspiegel, Alexander Fröhlich, 13.08.2019: Massengebet auf Tempelhofer Feld: Landesfirma erlaubte Veranstaltung – ohne Rückfrage beim Verfassungsschutz

Zum Vergleich hier zehn Artikel, die im gleichen Zeitraum in Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, taz, Spiegel Online, ZEIT und Deutschlandradio über die Neuköller Begegnungsstätte erschienen sind. Die Differenziertheit ist den Autoren umso höher anzurechnen, als dass sie natürlich unter dem Einfluss der über google jedem Leser ins Auge springenden Hetzkampagnen in Tagesspiegel und Springer gegenüber der Neuköllner Begegnungsstätte stehen und insofern gar nicht umhin kommen, manche dieser Dinge zumindest zu erwähnen. Aber die entsprechenden Journalisten beherzigen den Grundsatz „audiatur et altera pars“ (höre auch die andere Seite), der vielen Redakteuren beim Tagesspiegel völlig fern zu liegen scheint, wenn es um den Umgang mit der Neuköllner Begegnungsstätte geht. Und wenn man die Texte mit obigen vergleicht, kann man sich fragen, wo der Tagesspiegel eigentlich politisch steht…

Berliner Zeitung, Julia Haak, 06.10.2016: Mohamed Taha Sabri – Warum der Verfassungsschutz ein Problem mit diesem Imam hat
Berliner Morgenpost, Ulrich Krätzer, 16.03.2017: Heftige Kritik: Berliner gedenken Terroropfer mit Islamisten
Berliner Morgenpost, Martin Nejezchileba, 09.07.2017: Marsch der Muslime – „Starkes Zeichen, auf das viele gewartet haben“
Die ZEIT, Konstanze Nastarowitz, 10.07.2017: „Wir sind für sie keine richtigen Muslime“
Berliner Morgenpost, Ulrich Krätzer, 21.08.2017: Wie Bürgermeisterin Giffey Opfer eines Shitstorms wurde
taz,Toby Ashraf, 24.11.2017: Wer Dialoge scheut und wer nicht
Spiegel, Katrin Elger, 01/2018: Fällt die deutsche Politik auf Islamisten herein?
Berliner Zeitung, Julia Haak, 28.03.2018: Imam zu religiösem Mobbing – „Wir müssen raus aus den Moscheen, in die Schulen gehen“
Deutschlandradio, Igal Avidan, 18.04.2018: Berliner Moschee – Ein Imam zwischen den Stühlen
taz, Susanna Marmania, 15.11.2018: Islamische Gemeinden in Berlin – Vermintes Gelände
taz, Alke Wirth, 25.12.2018: „Die Gesellschaft ist bunt und vielfältig“
Berliner Morgenpost, Ulrich Krätzer, 01.06.2019: Moscheebesucher vereiteln Messerangriff auf Neuköllner Imam 

Der Vollständigkeit halber sollte man nicht unerwähnt lassen, dass es neben den oben aufgeführten 21 Artikeln über die Neuköllner Begegnungsstätte im Tagesspiegel in diesem Zeitraum auch drei Artikel im Tagesspiegel, in denen kein „Kampfmodus“ gefahren wurde:

Tagesspiegel, Susanne Vieth-Entus, 03.05.2017: Berliner Muslime verurteilen Antisemitismus und werben für Toleranz
In diesem Artikel wird zwar verschwiegen, dass die Neuköllner Begegnungsstätte die Erklärung initiiert und die übrigen muslimischen Organisationen als Mitunterzeichner gewonnen hat – aber immerhin wird sie namentlich kurz erwähnt ohne die üblichen Dauerschleifen der Tagesspiegel-Redaktion zu wiederholen.

Tagesspiegel, 05.09.2017: eine juristisch erwirkte Gegendarstellung zu dem Artikel vom 31.08.2017
In der Gegendarstellung musste die Redaktion zugeben, dass die von Hannes Heine verfasste Aussage „Islamistische Prediger sollen dort gegen Juden, Homosexuelle und Schiiten gehetzt haben.“ frei erfunden war.

Tagesspiegel, Madlen Haarbach, Robert Kiesel, 22.12.2018: Jüdisches Puppenspiel wird in Neuköllner Moschee verlegt
Es handelt sich hier wohl um den einzigen Artikel im Tagesspiegel, im dem differenziert berichtet wird und sogar getreu dem Motto „audiatur et altera pars“ die Neuköllner Begegnungsstätte zu Wort kam. Womöglich lag das daran, dass Teile der Redaktion kurz vor Weihnachten in Urlaub waren und nicht intervenieren konnten…

(ThoZ)