Die Kirche mal im Dorf lassen, Frau Ates!

Der Medien-Hype um Seyran Ates und was bei nüchterner Betrachtung übrig bleibt, wenn man einen Spiegel vorhält…

Liebe Seyran Ateş, lieber Fanclub von Frau Ates,

Ich habe Ihren Beitrag in der letzten Ausgabe des Kurier gelesen mit dem Titel „Wenn ich Christin wäre, würde ich demonstrieren“. Nun, ich bin Mitglied der Katholischen Kirche und möchte mich dazu einmal äußern. Mir ist klar, dass ich mir damit keine Freunde mache. Immerhin sind Sie mit Ihrer AfD-kompatiblen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und Ihrem wöchentlich medial hunderttausendfach verstärktem Islam-Bashing, das alle etablierten Moscheegemeinden und Muslime als nicht gesellschaftskompatibel und radikal darstellt, so etwas wie eine Ikone, eine Volksheldin für weite Teile unserer Medien und Politik von rechts bis links, von AfD bis zur Linkspartei und den Grünen.

Und ich kann Ihnen sagen, dass ich als Katholik und als jemand, der seit vielen Jahren mit den unterschiedlichsten von Ihnen so verhassten „konservativen“ muslimischen Verbänden Begegnungen gegen Antisemitismus und Homophobie organisiere, es grundsätzlich sympathisch finde, dass auch im Gegensatz zur Katholischen Kirche, zur Russisch-Orthodoxen Kirche, zu Orthodoxen Jüdischen Gemeinden und vielen anderen Religionsgemeinschaften in Ihrer Ibn-Rushd-Goethe-Moschee auch Frauen predigen und Sie gelebte Homosexualität nicht als Sünde bezeichnen.

Ich finde es auch außerordentlich wichtig, dass man in unserer Gesellschaft – ob gegenüber konservativen Muslimen wie auch gegenüber Ihnen und Medien und Politik – kritisch sein darf und dass Kritik auch angenommen werden kann. In diesem Sinne möchte auch ich nun einige kritische Worte äußern, indem ich Ihre Aussage „Wenn ich Christin wäre“ einmal konkret durchspiele. Stellen wir uns vor, Sie hätten keinen muslimischen Hintergrund, sondern einen katholischen Hintergrund und hätten nun also nicht eine „Ibn-Rushd-Goethe Moschee“ gegründet sondern eine „katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche“, dann sähe das nach meiner Einschätzung folgendermaßen aus:

1. Bedeutungszumessung als Repräsentantin einer religiösen Gruppe

Ich war im November bei Ihnen in der Ibn-Rushd-Goethe Moschee zum Freitagsgebet zu Besuch. Während in anderen Moscheegemeinden einige hundert bis sogar über tausend Gläubige kommen, waren es in ihrer Moschee exakt vier Gläubige – drei Konvertitinnen und ein gebürtiger Muslim. Von anderen habe ich gehört, dass es zu anderen Freitagsgebeten nicht anders bei Ihnen aussieht.

Nehmen wir also an, Sie wären Christin und hätten eine katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche gegründet, zu der eine einstellige Zahl zu den Sonntagsgottesdiensten käme, glauben Sie, als Christin hätte es auch nur ein Medium gegeben, dass über Sie berichtet hätte? Wie würde wohl die deutsche Öffentlichkeit damit umgehen, wenn eine Vertreterin einer neugegründeten liberalen katholischen Gemeinde eine Hand voll Gemeindemitglieder hat und dann lautstark Ansprüche erhebt, nun bei der Gestaltung von Studiengängen auf Augenhöhe mit Dachorganisation der Katholischen und Evangelischen Kirche für Berlin beteiligt zu werden, in deren Gemeinden (wie auch in die Moscheegemeinden der vier großen islamischen Verbände) jede Woche jeweils eine höhere 5-stellige bzw. sogar 6-stellige Zahl an Gläubigen gehen?

2. Benennung nach einem Andersgläubigen

Sie haben Ihre Moscheegemeinde nach Goethe benannt, jemandem, der zwar durchaus Sympathien für den Islam hatte, allerdings selbst einer anderen Religionsgemeinschaft angehörte, nämlich dem Christentum. Wenn Sie Christin wären, würde dies übertragen bedeuten, dass Sie Ihre Kirche im gleichen Gedanken nach Andersgläubigen benannt hätten, also z.B. „Katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche“.

Glauben Sie ernsthaft, dass es Ihnen gelingen würde, mehr Katholiken als Gemeindemitglieder zu gewinnen als es Ihnen derzeit bei Muslimen gelingt? Gibt es eigentlich Ihnen bekannte Beispiele, dass sich andere Glaubensrichtungen oder Weltanschauungsgemeinschaften nach Andersgläubigen benennen? Vielleicht eine Sankt-Josef-Kita des Humanistischen Verbandes? Oder eine evangelische Mohamed-Kirche? Oder eine jüdische Hunain-ibn-Ishāq-Synagoge? Ich schätze mal, als katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche würde Ihnen eine „Anbiederung“ und fehlende Identifikation mit der eigenen Glaubensrichtung oder Weltanschauung vorgeworfen werden. Kann es da ernsthaft wundern, wenn das viele der sonstigen Muslime auch gegenüber Ihrer Goethe-Moschee so sehen? Ehrlich gesagt wundere ich mich schon ein wenig über die Naivität eines Teils meiner biodeutschen Landsleute, die in Ihrer Namensgebung nach Goethe ein Musterbeispiel gelungener Integration sehen, wie sie sich auch von allen anderen Moscheegemeinden wünschen würden (und nicht als Anbiederung und Assimilation, als was es viele Muslime betrachten).

3. Fehlende demokratische Organisationsform innerhalb der Religionsgemeinschaft

Als Katholik sollte ich das Thema demokratische Organisationsform innerhalb von Religionsgemeinschaften vielleicht besser nicht ansprechen, da die Katholische Kirche auch hier sicherlich einigen Nachholbedarf hat. Ich tue es trotzdem, denn auch hier möchte ich einmal das Gedankenspiel fortsetzen, Sie hätten keine Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet sondern eine katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche. Immerhin wird in der Katholischen Kirche der Papst gewählt, wohingegen Sie auch bei dem Thema ein Neuland mit Ihrer Moschee betreten, das noch kaum jemand so richtig wahrgenommen hat – Sie sind als GmbH mit festen Gesellschaftern (Inhabern) organisiert. Ein Wechsel der Eigentümer kann bei Ihnen also nur dadurch stattfinden, daß jemand der Gesellschafter seine/ihre Anteile verkauft oder jemand Anteile erbt.

Interessantes Modell, bei dem die Katholische Kirche in Sachen Demokratiedefizite nicht mithalten kann. Spannende Frage wäre zunächst einmal, ob Sie als Kirchen gGmbH hierzulande überhaupt eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft bekommen hätten…?

Demokratisch ist diese Organisationsform in meinen Augen nicht und genau das ist ja auch der Hintergrund, warum sie diese Organisationsform gewählt haben – damit sie nicht abgewählt werden können wie das bei Vereinen möglich ist. So jedenfalls lautete die Auskunft ihrer Pressesprecherin auf meine diesbezügliche Frage. Dahingegen kann man übrigens die von Ihnen so verhassten konservativen Moscheegemeinden als positiv auch im Sinne unserer FDGO hervorheben. Sie sind als Vereine organisiert und somit wird dort regelmäßig in demokratischen Wahlen ein Vorstand gewählt.

Sicherlich sollte man das nicht idealisieren – es gibt bei DITIB (leider!) ein Veto-Recht der türkischen Religionsbehörde Diyanet bei der Besetzung von Vorstandsposten und in manchen Moscheevereinen ist nur ein kleinerer Teil der regelmäßigen Besucher auch Vereinsmitglied. Nichtsdestotrotz – ich habe immer wieder von Moscheevereinen mitbekommen, dass die Vorstandswahlen ergebnisoffen mit mehr Kandidat*innen als Posten stattfanden und auch in den von Ihnen mitunter als islamistisch bezeichneten Moscheegemeinden sind Frauen in den Vorständen übrigens in nicht unerheblicher Zahl vertreten.

4. Nicht nachvollziehbare fehlende Anbindung an bereits bestehende liberale islamische Gemeinden unter dem Dach des Liberal-Islamischer Bund

Ihr Umgang mit dem Thema Frauen und Homosexualität finde ich wie dargestellt positiv. Allerdings betreten Sie damit keinesfalls Neuland. Seit vielen Jahren gibt es den Liberal-Islamischen Bund, bei dem ebenfalls Frauen als Imaminnen vor gemischten Gemeinden Vorbeterinnen sind und die ebenfalls Homosexualität anders als die meisten anderen Religionsgemeinschaften (wie z.B. die Katholische Kirche, die Russisch-Orthodoxe Kirche, die Koptische Kirche, die Zeugen Jehovas, das orthodoxe Judentum bis hin zu den sonst so entspannten Rastafari) nicht als Sünde bezeichnen. Der Liberal-Islamische Bund betreibt Moscheegemeinden in Köln, Berlin und Frankfurt.

Warum haben Sie sich nicht dem Liberal Islamischen Bund angeschlossen und tun stattdessen gegenüber Medien so, als seien Sie die erste und einzige liberale Gemeinde? Vielleicht, weil der Liberal Islamische Bund sich eher konstruktiv um seine Gemeinden kümmert als darum, eine enorme öffentliche Wahrnehmung in nicht-muslimischen Medien zu erziehen mit dem Fokus, destruktiv über andere Moscheegemeinden herzuziehen und öffentliche Fördergelder zu bekommen? Und vielleicht auch, weil sich der Liberal Islamische Bund differenziert (und nicht zu 100% negativ) mit den großen etablierten islamischen Verbänden auseinandersetzt und auch Islamfeindlichkeit nicht nur (trotz 950 registrierten antimuslischen Straftaten im vergangenen Jahr und einer eklatanten Ungleichbehandlung von Islam und Muslimen in Medien und Politik) als „Kampfbegriff“ abtut, mit dem jegliche Kritik an Muslimen unterbunden werden solle? Oder weil eine Eingliederung in die demokratischen Vereinsstrukturen des Liberal Islamischen Bundes Ihnen und Ihrem Mitgesellschafter Abdel Hakim Ourghi nicht den Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit und Selbstdarstellungsmöglichkeit geboten hätte, wie die öffentlichen Kommentare von Dr. Ourghi gegenüber der ehemaligen Vorsitzenden des Liberal Islamischen Bundes, Dr. Caroline Neumüller, nahelegen?

Um das Gedankenspiel aufzugreifen, Sie hätten eine katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche gegründet, wäre der Vergleich, dass Sie so tun würden, als gäbe es die Alt-Katholische oder auch die Evangelische Kirche nicht, bei denen Frauen zum Priesteramt und homosexuelle Paare zur Partnerschaftssegnung zugelassen sind und würden stattdessen verkünden, dass Sie die erste liberale christliche Gemeinde seien. Und statt sich um den Aufbau der Gemeinde zu kümmern, damit sie über eine Hand voll Betender hinausgeht, würden Sie tagein tagaus über die sonstige Katholische Kirche herziehen und fordern, dass Sie öffentliche Förderung erhalten.

Ich kann Ihnen sagen, als Katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche hätte das sicherlich keine Aussicht auf Erfolg. Was den Umgang hiesiger Politik mit Ihrer Ibn-Rushd-Goethe-Moschee anbetrifft, so würde ich noch nicht einmal ausschließen, dass Sie am Ende tatsächlich auch noch Geld für Ihre Moschee GmbH erhalten.

5. Besonderheiten gegenüber anderen Muslimen

Was die Einhaltung religiöser Regeln anbetrifft, so ist es in Ihrer Ibn-Rushd-Goethe-Moschee ja so, dass nicht die für sonstige Muslime sehr wichtigen Gebetszeiten eingehalten werden, sondern das Freitags-Gebet in der Mittagspause stattfindet, weil dies kompatibler zu unserer Gesellschaft ist. Da sich für die Einhaltung von Gebetszeiten im christlichen Kontext kein Pendant finden lässt, wähle ich einmal den Vergleich zum jüdischen Kontext, in dem die Einhaltung des Schabbat ähnlich hohe Bedeutung hat wie bei den sonstigen Moscheegemeinden die Einhaltung der Gebetszeiten.
Übertragen auf eine liberale jüdische Gemeinde würde Ihre gesellschaftskompatible Anpassung der Gebetszeiten dann bedeuten, den Schabbat von Samstag auf Sonntag zu übertragen.

Auch bei anderen Grundelementen der für andere Muslime wichtigen Regeln wie z.B. der rituellen Waschung vor dem Gebet, haben Sie das in Ihrer Ibn-Rushd Moschee etwas anders geregelt. Die für andere Moscheegemeinden so wichtige Möglichkeit der rituellen Waschung war vor Ihrem Gebetsraum bei meinem Besuch nicht vorhanden. Übertragen auf das Gedankenspiel, Sie hätten eine katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche gegründet, wäre es evtl. vergleichbar, dass die Kommunion während des Gottesdienstes ausfällt, weil keine Hostien vorhanden sind…

Gut, zu meinem Verständnis von religiöser Freiheit gehört, dass Sie das so machen sollen und dürfen, wie Sie es für richtig finden. In dem Beispiel einer von Ihnen als Christin gegründeten katholischen Ibn-Rushd-Goethe-Kirche, könnte es allerdings durchaus sein, dass der eine oder andere Katholik die Auffassung vertreten würde, dass Sie einen „Tempel“ und keine „Kirche“ betreiben, wie Sie das jetzt mitunter von sonstigen Muslimen zu hören bekommen. Ist das wirklich verwunderlich? Ist das unverhältnismäßige Kritik im Vergleich dazu, wie Sie sich über andere Moscheegemeinden äußern oder wie sich Ihr Mitgesellschafter Abdel-Hakim Ourghi selbst gegenüber der ehemaligen Vorsitzenden des Liberal-Islamischen Bundes, Caroline Neumüller, äußerte?

6. Besetzung des Priesteramtes entsprechend des Imams/der Imamin

Wären Sie Christin und hätten eine katholische Ibn-Rushd-Goethe-Kirche gegründet, hätten Sie übrigens auch noch aus einem anderen Grund Probleme, ernst genommen zu werden: Sie haben, soviel ich weiß, keinerlei theologische Qualifikation bzw. holen diese jetzt erst nach. Ich fürchte, auch das würde es schwierig machen, eine nennenswerte katholische Gemeinde aufzubauen. Übrigens – auch in den konservativen Moscheegemeinden gibt es Imaminnen. Der einzige Unterschied ist, dass diese eine theologische Qualifikation haben (auch als Frau kann man Islamische Theologie studieren!) und dass diese lediglich vor weiblichen Gemeindemitgliedern als Vorbeterin fungieren.

7. „Liebe für alle – Hass für keinen“?

So lautet der Slogan der sehr konservativen islamischen Strömung der Ahmadiyya-Gemeinschaft und genau in diese Richtung zielen aus meiner Sicht die Verantwortung und das Positive, wie Religionsgemeinschaften wirken können: Indem sie Barmherzigkeit, Menschenliebe, Demut vor der Schöpfung ausstrahlen, ihren Gläubigen vermitteln und leben.
Wenn ich mir Ihre öffentlichen Verlautbarungen anschaue, dann sehe ich da ehrlich gesagt fast ausschließlich negative Worte gegenüber der Mehrheit der sonstigen Muslimen, die sie als radikal bezeichnen und denen Sie Unterdrückung und Intoleranz vorwerfen.

Angenommen, Sie wären Christin, würde das bedeuten, dass Sie fast ausschließlich Hass gegenüber der katholischen Amtskirche verbreiten und negative Dinge immer und immer wieder betonen, wie z.B. der Umgang mit Pädophilie-Vorfällen, daß Reichskonkordat, die Anhäufung von Kirchenvermögen und natürlich die Ausnahmen vom AGG im Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung. Andererseits wäre es dann auch so, dass von Ihnen kaum Positives zu vernehmen ist im Hinblick auf eine Botschaft in Richtung Barmherzigkeit, Menschenliebe, Toleranz, die Sie ausstrahlen und vermitteln.

Glauben Sie, damit könnten Sie auch nur annähernd katholische Gemeindemitglieder gewinnen?

Meine Einschätzung:
Ich glaube, wenn man zu viel Hass im Herzen hat und diesen beständig nach außen trägt, dass man damit nicht glücklich sein kann und dass man damit außer in einer sich nach meinem Eindruck unverhältnismäßig in eine kollektive Ablehnung und Hass (gegenüber Muslimen) hineinsteigernde und gegenseitig bestätigenden und bestärkenden Gesellschaft wie der unsrigen damit kaum Freunde findet.

8. Verhältnismäßigkeit der öffentlichen Berichterstattung

Stellen wir uns vor, Sie wären Christin und würden sich so über Islam und Muslime äußern wie Sie das derzeit tun. Ich fürchte, Sie würden damit genauso wie Renegaten wie Necla Kelec , Ahmad Mansour , Hamad Abdel Samad und Erol Özkaraca (die nach meinem Eindruck ebenfalls nicht differenziert, sondern die ebenfalls unter dem Applaus der Mehrheitsgesellschaft ausschließlich negativ über Muslime kommunizieren) bestens zu den Positionen der AfD oder von PEGIDA passen, wo Sie alle ja auch einen beträchtlichen Fan-Club haben. Eine mediale Aufmerksamkeit in vergleichbarem Umfang wie derzeit würde Ihnen allerdings nicht zugute kommen. Außerdem würden Sie auch nicht so sehr in eine Marktlücke stoßen, in der sich bestens Bücher verkaufen lassen und öffentliche Förderungen erlangen lassen (keine Sorge – die bekommen Sie bestimmt noch), wie dies für Renegaten der Fall ist.

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich bin ein sehr kritischer Mensch und Verfechter der Meinungsfreiheit. Ich finde es z.B. durchaus legitim, wenn jemand Kritik auch am Islam übt oder auch Zuwanderung ablehnt, ohne denjenigen deswegen gleich als Islamhasser, Rassist oder Nazi zu bezeichnen. Ich finde es auch nachvollziehbar, wenn jemand (wie vielleicht Sie) traumatisiert von seiner Herkunftsgruppe ist und zum Renegaten wird und seine oder ihre gesamte Energie im weiteren Leben dann darauf verwenden, die ursprüngliche Herkunftsgruppe anzuprangern. Es gibt Renegaten aus dem politisch linken oder dem rechten Spektrum, es gibt Renegaten aus Christentum, Judentum und Islam.

Allerdings finde ich den Umgang von Medien und Politik völlig unverhältnismäßig, wie gebürtigen Muslimen und Renegaten wie Ihnen, Ahmad Mansour, Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad, Erol Özkaraca und einigen mehr in unserer Gesellschaft jedes öffentliche Forum geboten wird, solange Sie ausschließlich negativ über Islam und die Mehrheit der Muslime in Deutschland sprechen. Man kann es geradezu als ein hervorragendes Geschäftsmodell bezeichnen in der aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage. Sie werden als „Kronzeugen“ hofiert und inszeniert, „die ja wissen, wie radikal und rückständig die vier Millionen Muslime in Deutschland sind“. Und Sie können alles sagen, da Sie ja mit Ihrer 5-Personen Goethe-Moschee GmbH selbst Muslima sind und man insofern ja nicht als „antimuslimisch“ bezeichnen kann, was man ohne Betrachtung Ihrer Person als Aussagen ganz klar als einseitige antimuslimische Stimmungsmache bezeichnen würde.

Auf meine Frage, wie die AfD zu Ihrer Moschee steht, habe ich übrigens von Ihrer Pressesprecherin erfahren, dass Sie von der AfD hofiert werden, die AfD Sie immer wieder für Preise vorschlägt und gemeinsame Veranstaltungen mit Ihnen machen möchte. Man kann insofern mit Fug und Recht sagen, dass Sie eine Form des AfD-kompatiblen Islams entwickelt haben, der von ganz rechts bis ganz links in der Gesellschaft bei Nicht-Muslimen auf große Zustimmung trifft. Endlich mal wieder etwas, wo es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens gibt!

Na gut, die vier Millionen sonstigen Muslime muss man hier mal ausblenden, aber das fällt den meisten in der Mehrheitsgesellschaft ja nicht so schwer….


Und es mangelt ja nicht an Forderungen, Sie umfangreich zu fördern und den Aufbau weiterer Moscheegemeinden zu unterstützen. Vielleicht eine Schiller-Moschee GmbH unter Herrn Dr. Ourghi in Freiburg? Und eine Mozart-Moschee GmbH in Salzburg? Ich glaube, die hiesige Mehrheitsgesellschaft wäre begeistert!

Fazit:

Wenn man in unserer Gesellschaft aktuell nach Möglichkeiten sucht, sich unbeliebt machen, dann kann man das aktuell vermutlich kaum besser als mit einem Text wie diesem. Unwillkürlich will ich mich dabei fragen, was eigentlich mit dem Kind in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ passiert ist, das als erstes ausrief, dass der Kaiser ja nackt sei…

Wie auch immer, Sie glauben vermutlich wirklich, Sie müssen den Menschen „die Augen öffnen“ über den etablierten Islam. Und daran kann ich anknüpfen, auch mich hat zum Verfassen dieser Zeilen bewogen, den Menschen einmal „die Augen zu öffnen“. Bei mir allerdings über den ungleichen, unverhältnismäßigen Umgang in unserer Gesellschaft mit Islam und Muslimen und über den Grad der Islamfeindlichkeit, der dies ermöglicht und dadurch weiter gestärkt wird.

Und um zurückzukommen auf den Aufhänger des Artikels im Kurier mit Ihrer Aussage „Als Christin würde ich demonstrieren“: Ja und Sie können ganz beruhigt sein, denn das machen ja schon viele “Biodeutsche” in Regionen, wo man Muslime nur über Medienberichte wie die von Ihnen kennt und nicht aus persönlichen Begegnungen – z.B. bei PEGIDA in Dresden. Dort könnten Sie sich dann als Christin einreihen – wobei ich glaube, dass Sie dort auch als die Person, die Sie sind, sehr willkommen wären. Nur eines würde Ihnen sicherlich als Christin verwehrt bleiben – dieses völlig unverhältnismäßige Maß an öffentlicher Zustimmung und medialer Berichterstattung. Also vielleicht ist das Gedankenspiel doch kein so zielführendes für Sie.

Ganz im Ernst: ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Aufbau einer Gemeinde und dass zu Ihnen auch einmal 1000 Personen und mehr zum Freitagsgebet kommen wie in andere Moscheen. Und wenn es so weit ist, freue ich mich, wieder in den Medien von Ihnen zu lesen. Aber bis dahin würde ich Ihnen wünschen, dass Sie von den Medien einmal in Ruhe gelassen werden bzw. Sie umgekehrt, die Medien in Ruhe lassen, damit Sie sich auf den Aufbau Ihrer Gemeinde kümmern können. Ich würde diese Reihenfolge als stimmig betrachten.

Vielleicht können meine Zeilen ja den ein- oder anderen Denkanstoß geben,
Ihr
Bernhard Heider