Vorbemerkung zur Kritik an Medien, Politik und Verwaltung bzgl. eines unfairen Umgangs mit Muslimen

Medien spielen eine große Rolle im Hinblick auf die Konstruktion negativer Stereotype bezüglich einzelner Bevölkerungsgruppen. Viele Journalist*innen haben verinnerlicht, keine negativen Zuschreibungen im Bezug auf jüdische Menschen vorzunehmen und das ist auch gut und richtig so. Wir würden uns allerdings wünschen, dass wir in Deutschland als “gesellschaftliches Learning” aus der unvergleichlich entsetzlichen Vergangenheit auch negative Zuschreibungen gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen unterlassen sollten – z.B. gegenüber Homosexuellen, gegenüber Sinti und Roma und auch gegenüber Muslimen.

Und gerade bei Muslimen gibt es nach unserem Eindruck in einigen Medien seit einigen Jahren immer weniger Hemmungen, Muslime als “Problemgruppe” darzustellen und sie mit negativen Zuschreibungen wie “frauenfeindlich”, “homophob”, “antisemitisch” und anderen Labels zu markieren. Wir wollen damit nicht in Abrede stellen, dass es unter Muslimen wie auch in anderen gesellschaftlichen Gruppen Herausforderungen und Fehlverhalten gibt. Aber wir würden uns diesbezüglich einen anderen gesellschaftlichen Umgang wünschen, wie es beispielsweise der kanadische Botschafter Stéphane Dion in seiner Antwort auf eine wieder einmal typische Frage von Tagesspiegel-Journalisten in einem Interview zum Ausdruck brachte.

Auch Behörden behandeln Muslime mitunter unfair. Beispielsweise war die Berliner Dar-as-Salam-Moschee 2016 und 2017 im Berliner Verfassungsschutzbericht aufgeführt und erwirkte 2018 eine auch rückwirkende Löschung vor dem Oberlandesgericht. Im Urteil hieß es u.a.: „Vor diesem Hintergrund ist die umstrittene Berichterstattung – die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen unterstellt – missverständlich und stellt sich bei summarischer Prüfung als Verdachtsberichterstattung dar.“ oder: „Dies genügt mit Blick auf die besondere Warnfunktion des Verfassungsschutzberichtes, der kein beliebiges Zeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit ist, nicht der erforderlichen Differenzierung…“. 
Solche Zitate konnte man nach diesem Urteil übrigens vergeblich in Medien suchen.

Eine ähnliche Schlappe vor dem Berliner Landgericht fing sich die Berliner Staatsanwaltschaft ein, nachdem sie wegen angeblichem Corona-Subventionsbetrug im November 2020 eine Polizei-Razzia gegen die Dar-as-Salam-Moschee (aber auch noch fünf weitere Moscheegemeinden) ausgelöst hatte. Das Amtsgericht Tiergarten hingegen entschied im März 2022 zugunsten der Moscheegemeinde und attestierte ihr, „ausnahmslos richtige und vollständige Angaben” gemacht zu haben. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Revision ging, scheiterte sie im September 2022 auch vor dem Berliner Landgericht, dass sich der Entscheidung des Amtsgerichts anschloss.

Der/die geneigte Leser*in kann sich selbst vermutlich die Frage beantworten (oder dazu mal recherchieren), wie umfangreich und drastisch die Berichterstattung über die jeweilige Skandalisierung der Moscheegemeinde aussah und wie wenig dagegen über die Richtigstellung bzw. das behördliche Fehlverhalten berichtet wurde. Genauso braucht man wohl auch nicht ernsthaft die Frage stellen, ob wegen möglicher falscher Angaben bei der Beantragung von Corona-Hilfen auch Polizeirazzien mit Straßensperrungen, Körperdurchsuchungen, Durchsuchung der Gotteshäuser mit Stiefeln, Hunden und Gewehren, Durchsuchung der Privatwohnungen von Vorständen und Geistlichen und die Beschlagnahmung von Handys und Computern in Kirchen oder Synagogen stattgefunden hätten.

Da wäre es doch schön, eine neutrale öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zu haben, deren Neutralität ja u.a. dadurch gewährleistet werden soll, dass hier verschiedenste gesellschaftliche Gruppen mit einem Platz im Rundfunkrat vertreten sind. Einen festen Platz haben z.B. die in Berlin und Brandenburg lebenden ca. 370.000 Katholiken, die ca. 30.000 Juden und die ca. 20.000 Angehörigen der sorbischen Minderheit – nur für die ca. 300.000 Muslime ist allerdings bislang kein Platz im Rundfunkrat vorhanden!

Vielleicht ist damit zu erklären, dass beim rbb in der Berichterstattung gegenüber Muslimen möglicherweise nicht ganz die Qualitätsmaßstäbe eingehalten werden wie gegenüber anderen Gruppen? So schrieb das Landgericht Berlin Anfang Oktober 2022 in der von der Dar-as-Salam-Moschee erwirkten Einstweiligen Verfügung gegen den rbb: „Der in dem angegriffenen Video erfolgte Zusammenschnitt der Interviewäußerungen (…) erweckt den zwingenden Eindruck, die verneinende Antwort (…) zu Quellen von ausländischen Geldgebern in dem 2017 gegebenen Interview beziehe sich auch auf den Kauf der Moschee 2007.“ Wir gehen einmal davon aus, es gehört nicht zum üblichen journalistischen Vorgehen, Videobeiträge so zusammenzuschneiden, dass Eindrücke entstehen, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Wir wollen dazu beitragen, dass hierzulande eine höhere Sensibilität entsteht, dass es nicht in Ordnung ist, gegenüber Muslimen andere Maßstäbe und andere Verhaltensweisen an den Tag zu legen wie gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen. Wenn zu viele wegschauen und denken, bei Muslimen ginge das schon in Ordnung, wenn man sie so behandelt, werden solche Ungerechtigkeiten nicht aufhören bzw. werden es möglicherweise noch mehr.