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Susanne Schröter äußert sich unsachlich über die Neuköllner Begegnungsstätte – dieses Mal im Domradio

25. Oktober 2019

Wir fanden, das sollte man so nicht stehen lassen: Pfarrer Martin Germer schrieb einen offenen Brief und die Neuköllner Begegnungsstätte schaltete einen Anwalt ein.

Susanne Schröter ist Hochschullehrerin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Während man von Expert*innen eigentlich neutrale Analysen erwarten dürfte und die Fähigkeit und den Willen, sowohl positive wie auch negative Aspekte oder Entwicklungen zu benennen, kann man bei der medialen Berichterstattung mit Zitaten von Frau Schröter den Eindruck gewinnen, dass sie zu 100% negativ über Islam und Muslime schreibt. So etwas kennt man eigentlich ansonsten nur von Lobbyisten und Aktivisten, dass sie sich zu 100% positiv oder negativ über ein Thema äußern.

Ihre Äußerungen in einem Artikel, der am 17.10.2019 nun im Domradio erschien, hat sie nun Gegenwind erhalten. In dem Text wurde u.a. die Neuköllner Begegnungstätte (Dar-as-Salam-Moschee) als “DMG-nahes Flagschiff”* bezeichnet und behauptet, “der Imam habe gelogen, dass sie die Balken bogen”.

Der Anwalt der Neuköllner Begegnungsstätte hat dagegen rechtliche Schritte unternommen, wonach der ursprünglich unter https://www.domradio.de/themen/islam-und-kirche/2019-10-17/achtung-gesperrt-wie-gefaehrlich-sind-die-muslimbrueder-legalistischer-islamismus-mittelfristig-die aufgeführte Beitrag von Domradio aus dem Netz genommen wurde.

Außerdem verfasste Pfarrer Martin Germer folgenden offenen Brief an Susanne Schröter, den wir an dieser Stelle veröffentlichen:

Berlin, den 18. Oktober 2019

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Schröter,

in einem gestern auf der Internetpräsenz des Kölner Domradios wiedergegebenen KNA-Beitrag des Autors Christoph Schmidt werden Sie mit folgenden Äußerungen über die Neuköllner Begegnungsstätte e.V. zitiert:

„Eines der DMG-nahen Flaggschiffe ist die “Neuköllner Begegnungsstätte” – für Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, ein Paradebeispiel für die Doppelbödigkeit des legalistischen Islamismus. “Der Imam erhielt einen Berliner Dialogpreis, gleichzeitig lud er immer wieder salafistische Hassprediger in seine Moschee ein.”
Darauf angesprochen, habe der Geistliche gesagt, die Leute nicht gekannt zu haben, und “gelogen, dass sich die Balken bogen”. Schon dieses Beispiel zeigt aus Sicht Schröters, dass eine Unterscheidung zwischen Salafisten und den sich oft bieder, gebildet und dialogbereit gebenden Muslimbrüdern sinnlos ist.“

Sind diese Zitate so zutreffend, oder stammen sie in dieser extrem polemischen Zuspitzung aus der Feder von Herrn Schmidt?

Jedenfalls würde es mich sehr interessieren, auf welcher empirischen Grundlage Sie derartige Behauptungen über die NBS und ihren Imam aufstellen. Kennen Sie Herrn Sabri persönlich? Haben Sie jemals mit ihm gesprochen und ihm Gelegenheit gegeben, selbst Stellung zu nehmen zu dem, was Sie ihm vorwerfen? Was wissen Sie über die Aktivitäten dieser Moscheegemeinde? Waren Sie einmal dort und haben sich diesen sehr öffentlichen Ort selbst angeschaut? Haben Sie versucht, mit fachkundigen Personen zu sprechen, die diese Moschee näher kennen und die vielfach zu ganz anderen Einschätzungen gelangen? Hier meine ich z.B. islamkundige Gesprächspartner*innen aus den interreligiösen Dialogzusammenhängen in Berlin, ich meine die örtliche Polizei, ich meine Islamwissenschaftler*innen wie Prof. Dr. Riem Spielhaus.

Von einer Fachwissenschaftlerin wie Ihnen erwarte ich, dass sie sich auf differenzierte Weise ein eigenes Bild verschafft und dabei auch andere Sichtweisen berücksichtigt, bevor sie mit derartig massiven Vorwürfen und Unterstellungen an die Öffentlichkeit geht. Und dass eine Islamwissenschaftlerin öffentlich erklärt, Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Gruppen und Strömungen seien „sinnlos“, ist zumindest sehr verwunderlich. Unterscheiden ist doch eine der wesentlichen Aufgaben von wissenschaftlicher Forschung, insbesondere in den Gesellschaftswissenschaften! Und auch politisch gäbe es doch in einem so sensiblen Feld kaum etwas Wichtigeres als sorgfältiges Differenzieren!

Die Äußerungen, mit denen Sie zitiert werden, sind jedenfalls sachlich durchweg unwahr oder einseitig überspitzt. Herr Sabri erhielt keinen „Berliner Dialogpreis“, sondern den Verdienstorden des Landes Berlin, und zwar im Jahr 2015. Die Auftritte von problematischen Predigern in der NBS waren nicht „gleichzeitig“ mit der Verleihung des Ordens, sondern lagen zu dem Zeitpunkt jeweils schon mehrere Jahre zurück, und es geht dabei konkret, soweit mir bekannt ist, um drei Vorkommnisse, wie es sie vermutlich auch an anderen Moscheen immer mal geben dürfte. Die Formulierung „immer wieder“ wäre also eine polemische und wahrheitswidrige Übertreibung. Und die Erläuterungen, die mir dazu von der NBS bekannt sind, sind weitaus differenzierter, als das nach Ihren Äußerungen erscheint. Worauf stützen Sie die grob herabsetzende Behauptung, der Imam habe „gelogen, dass sich die Balken bogen“? Warum verschweigen Sie, dass die NBS erklärtermaßen aus den damaligen Vorkommnissen für ihre Einladungspraxis Konsequenzen gezogen hat – und nehmen offenbar nicht zur Kenntnis, dass es tatsächlich seit vielen Jahren keine derartigen problematischen Gastauftritte mehr gegeben hat? Darf ein überwiegend ehrenamtlich geleiteter Moscheeverein, der sich in einem insgesamt sehr schwierigen soziokulturellen und religiösen Terrain bewegt, keine Fehler machen und dann daraus lernen? Muss alles unter einem Generalverdacht erstickt werden?

Als Pfarrer der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche kenne ich die „Neuköllner Begegnungsstätte e.V.“ (NBS) und die dort Verantwortlichen seit mehreren Jahren, habe mehrfach mit ihnen in großer wechselseitiger Offenheit kooperiert und kann uneingeschränkt bezeugen, dass von ihrem Imam und den anderen Mitgliedern des Vorstandes des Moscheevereins alles andere als islamistische Positionen vertreten werden.  Im Gegenteil ist man in dieser von vielen Muslimen, vor allem arabischer und palästinensischer Herkunft, besuchten Moschee sehr darum bemüht, für eine Öffnung zur hiesigen Gesellschaft und für ein friedliches Miteinander im Geiste der Toleranz zu werben und dies im eigenen Verhalten vorzuleben. So hat man dort bereits Rabbiner zu öffentlichen Veranstaltungen eingeladen, christliche Repräsentant*innen und Vertreter*ìnnen anderer gesellschaftlicher Gruppen sowieso, aber auch z.B. offen homosexuell lebende Menschen. Frauen haben bei Veranstaltungen in dieser Moschee oft leitende Aufgaben, Frauen ohne Kopftuch können sich dort frei bewegen u.a.m. Der Moscheeverein hat auch schon mehrfach zu Veranstaltungen mit der Landeszentrale für politische Bildung eingeladen, um für ein demokratisches Engagement in unserer Gesellschaft zu werben. Mit meinen Einschätzungen stehe ich nicht allein, sondern habe mich dazu immer wieder mit islamkundigen Personen und mit Kenner*innen der örtlichen Szene ausgetauscht.

Zugleich nehme ich natürlich auch wahr, dass es eine Reihe von Journalist*innen und publizistisch tätigen Personen gibt, die nahezu in jedem ihrer Beiträge zu den Themenfeldern Islam und Islamismus quasi automatisch auf die NBS zu sprechen kommen und diese, so wie auch Herr Schmidt unter Berufung auf Sie, als „Flaggschiff“ oder Musterbeispiel oder ähnliches an den Pranger stellen. So als gäbe es keine anderen und wirklich problematischen Moscheen in Deutschland. Liegt das vielleicht daran, dass die NBS so öffentlich auftritt und sich auch so offen zeigt?

Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren etliche dieser Beiträge gelesen und stelle fest: Sie haben alle zweierlei gemeinsam: Ihre Autor*innen waren nie vor Ort und haben nie das direkte Gespräch gesucht, sogar trotz persönlicher Einladung. Und sie zitieren sich vorzugsweise wechselseitig in einer Art Zitationskartell – gern noch angereichert durch Statements von Seyran Ates, Ahmed Mansour oder Abdel-Hakam Ourghi, für die jedoch ebenfalls gilt, dass sie keinerlei Bemühungen unternommen haben, mit den NBS-Verantwortlichen selbst in ein offenes Gespräch zu kommen. So ist es übrigens auch in dem Beitrag von Herrn Schmidt, der im Plural von „Experten“ und von „Autorinnen wie Schröter“ schreibt und damit suggeriert, hier handele es sich um eine verbreitete und womöglich weitgehend unbestrittene Experten-Meinung. Dabei  stützt er sich de facto ausschließlich auf Ihre Äußerungen! Und zumindest bei den Journalist*innen, die sich immer wieder in solcher Weise äußern, kommt hinzu: Ihnen fehlt jegliche Kenntnis und Sensibilität für das Spezifische des Religiösen, um das es in diesen Zusammenhängen doch immer zumindest auch geht, und das Grundrecht auf positive Religionsfreiheit hat für sie augenscheinlich wenig Bedeutung, weil sie selbst eher agnostisch oder atheistisch geprägt sind. Das weiß ich teilweise aus persönlichen Gesprächen, es ist aber auch insgesamt mit Händen zu greifen. Und dann werden regelmäßig auch noch die Begriffe Islamismus und Salafismus munter durcheinander geworfen, Hauptsache, etwas bleibt hängen. Spätestens hier ist die mangelnde Fachkompetenz mit Händen zu greifen.

Ich gebe diese Mail auch der KNA zur Kenntnis sowie potenziell interessierten oder an diesen Debatten beteiligten Personen. Und natürlich den Leitung der Neuköllner Begegnungsstätte.

Mit freundlichem Gruß aus Berlin

Martin Germer   Pfarrer Martin Germer
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde



*DMG steht für den Verein “Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V.”, der in Verfassungsschutzberichten in Verbindung mit der Ägyptischen Muslimbruderschaft gebracht wird (allerdings dagegen Klage eingereicht hat).

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