Nach Moscheerazzia im Jahr 2020: Amtsgericht Tiergarten entscheidet zugunsten Moscheegemeinde

22.03.2022. Im Jahr 2020 fanden in insgesamt mindestens fünf Berliner Moscheegemeinden Razzien durch Hundertschaften der Berliner Polizei statt. Wir hatten bereits in diesem und diesem Text darüber geschrieben. Der Anlass bestand aus unterstelltem Betrug bei der Beantragung von Corona-Hilfen. Bei den Einsätzen wurden Gebetsteppiche mit Stiefeln und Hunden betreten, Computer und Handys mitgenommen, die Opferkästen aufgebrochen und deren Inhalt beschlagnahmt. Auch in den Wohnungen von Vorständen und Imamen von Moscheegemeinden fanden Durchsuchungen statt und auch Geistliche von Moscheegemeinden selbst wurden einer Körperdurchsuchung unterworfen. Das Vertrauen von Moscheegemeinden in Polizei und den Staat war nachvollziehbarer Weise in den betroffenen Moscheegemeinden erschüttert und ist dies zum Teil noch immer.

Wer würde ernsthaft in Zweifel ziehen, dass solche Razzien in Kirchengemeinden und Synagogen undenkbar gewesen wären? Wie kann man erklären, dass viele hundert Gewerbetreibende und Vereine, bei denen ebenfalls der Verdacht bestand, dass sie nicht alle Bedingungen für eine Antragstellung von Corona-Hilfe erfüllt haben, einfach nur ein Schreiben per Post erhalten haben und nicht eine Hausdurchsuchung durch eine Hundertschaft der Polizei?

Dass die Art, wie dem Verdacht staatlicherseits in Moscheegemeinden nachgegangen wurde, völlig unverhältnismäßig war, wird wohl kaum jemand bezweifeln. Nun ist ein Urteil vom Amtsgericht Tiergarten im Falle der Moscheerazzia in der Dar-as-Salam-Moschee gefallen: demnach wurde das Strafverfahren gegen den Imam der Dar-As-Salam, Taha Sabri abgelehnt, da die Moschee bei der Antragstellung nichts falsch gemacht hat! 

Wird das Konsequenzen haben? Wird es klare Zeichen aus der Politik geben, daß Moscheegemeinden zukünftig vor einer solchen – und mindestens im Fall der Dar-as-Salam-Moschee im Nachhinein sich sogar als haltlos herausstellenden – Ungleichheitbehandlung geschützt sind? Wir bleiben an dem Thema dran!

Amtsgericht Tiergarten (331 Ds) 171 Js 252/20 (28/21):
„Weder wurde vom Angeklagten durch unrichtige Gestaltung des Programms oder Verwendung unrichtiger Daten ein Datenverarbeitungsvorgang beeinflusst, noch wurden unbefugt Daten verwendet oder unbefugt auf den Verarbeitungsvorgang eingewirkt. Laut dem Antragsformular sind antragsberechtigt Soloselbständige, Kleinstunternehmen einschließlich eingetragener Vereine mit bis zu 10 Beschäftigten sowie Angehörige freier
Berufe. Der Unternehmensbegriff ist dabei unscharf; je nach Sachgebiet werden davon Wirtschaftsunternehmen, aber auch sonstige rechtliche und organisatorische Einheiten wie z.B. Non – Profit – Unternehmen erfasst, mit denen ideelle Ziele verfolgt werden. Eine Legaldefinition existiert nicht. Der uneingeschränkte Hinweis im Antragsformular, dass
auch eingetragene Vereine antragsberechtigt seien, macht für jeden Antragsteller deutlich, dass eine Einschränkung der Antragsberechtigung auf Wirtschaftsunternehmen nicht besteht. Es wurde vom Angeklagten zu keinem Zeitpunkt bestätigt, dass es sich bei dem Verein um ein Wirtschaftsunternehmen handelt. Die Angaben, die von ihm im Antrag
gemacht wurden, sind daher ausnahmslos richtig und vollständig. Es wäre Sache der Investitionsbank Berlin gewesen, Einschränkungen der Antragsberechtigung, die nicht im Formular genannt sind, zu prüfen. Dass dies nicht erfolgt ist, ist nicht dem Angeschuldigten anzulasten.“